Auf einen Kaffee mit… Alexander Gottfarb

Alexander Gottfarb ist Tänzer und Choreograph mit gesellschaftspolitischem Gespür. In früheren Arbeiten hat er das Gestenrepertoire politischer Ideologien (Political Movements) oder religiöser Praktiken (Moved by Faith) untersucht. Derzeit beschäftigt ihn die ‚Arbeit des Tanzens‘ und dessen Materialität. Außerdem engagiert er sich bei der Plattform Wiener Perspektive für bessere Arbeitsbedingungen freischaffender Künstler*innen in Wien.

Was bist du von Beruf, Alex?Smart User Alexander Gottfar on stage - Portrait picture black & white with dark background

Ich bin freischaffender Tänzer und Choreograph, stamme aus Schweden und lebe schon lange in Österreich. Meine Lebensgefährtin Anna Nowak und ich betreiben den Verein Archipelago. Seit 2018 arbeite ich mehr lokal, ich will weniger touren, weniger projektbasiert arbeiten. Ich verstehe meine Arbeit als Arbeit, nicht als Projekt. Wie ein Tischler: Der versteht einen Tisch auch nicht als Projekt. Das Handwerk soll im Vordergrund stehen.

Production shot Filiale - old fashioned shop front saying "TQW Filiale" with a sign saying "come in, 1 more day"

Warum siehst du den Begriff ‚Projekt‘ kritisch?

Ein ‚Projekt‘ muss von Anfang bis Ende durchgeplant sein und ist immer gleichförmig: Ideenfindung, verkaufen, durchführen. Ein Projekt ist eine besser verkäufliche Form. Arbeit hingegen definiert den Schlusspunkt nicht aus. Mit dem Fokus auf das Handwerk komme ich weg von der Verkäuflichkeit und hin zur Materialität des Tanzens. Unsere Produktion Encounters z.B. bringt unsere Arbeit als Tänzer*innen an andere Arbeitsplätze: in die Fabrik, in das Büro, auf das Feld. So entstehen Konfrontationen zwischen verschiedenen Arbeitsformen und -räumen, aber auch Begegnungen zwischen Performer*innen untereinander und mit dem Publikum. Der Betrieb wird, ähnlich wie zuvor Negotiations in der Filiale, eine kontinuierliche Tanz-Performance sein – über vier bis fünf Stunden pro Tag, an vier bis fünf Tagen die Woche, und das mehrere Monate lang und in verschiedenen Wiener Bezirken.

Bei While no one is watching tanzt du in voller Polizei-Montur, Typ ‘Riot Gear’. Warum?

Da geht es um Kommunikation und wie schwierig sie ist, wenn man in einem Panzer steckt. Aber auch darum, wie Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit aussehen soll. Die Polizei als Institution hat erstmal Angst vor so einem Vorhaben, in den Vorbereitungstreffen müssen wir gegenseitiges Verständnis schaffen und den lokalen Kontext klären. Mit unserem Stück können sie dann aber auch darüber lachen. 2022 bringen wir es nach Favoriten, auf dem Columbusplatz wollen wir einen Turm aus Polizeiabsperrungen errichten.

Production shot While no one is watching - Two persons amored in riot gear dancing in front of a white wall and red bengal fire works

Wie sieht dein Arbeitsalltag als Tänzer und Choreograph aus?

In der Probenzeit wird natürlich intensiv geprobt. Außerhalb der Probenzeit ist die Administration zu erledigen, Vorbereitungen, Termine. Da arbeite ich von unserem Arbeitsplatz in Floridsdorf aus. Auch Recherchen vor Ort sind nötig, z.B. Interviews mit Leuten in den TQW Büros, über ihre Wahrnehmung des Büro-Raums und ihres Körpers in diesem Raum.

Production shot Negotiations - Three dancers in sweeping poses, one on the floor, one squatting, one standing with arms wide open

Die Vereinsarbeit teile ich mir mit Anna. Wenn sie probt, hole ich unseren Sohn vom Kindergarten ab. Ohne die Hilfe ihrer Eltern wäre es übrigens nicht möglich, gemeinsame Projekte zu machen.

Warum habt ihr euch für die Zusammenarbeit mit Smart entschieden?

Mit Zuerkennung der ersten Jahresförderung haben wir Unterstützung gebraucht, etwa zeitgleich wurde Smart gegründet. Seither sind wir mit Archipelago Admin-User. Smart übernimmt im Prinzip die Vereinsbuchhaltung, das erspart uns viel Papierkram. Die Genossenschaft interessiert mich auch, aber ich habe noch keine praktischen Erfahrungen damit.

Die Pandemie hat gerade die darstellenden Künste hart getroffen. Wie ist es euch ergangen?

Production shot Encounters 1 - Dancer standing in the middle of an industrial interior, one arm out to the left, looking to the rightWir hatten Glück und konnten mit Hilfe der Unterstützungsmaßnahmen unsere Arbeit in adaptierter Form durchführen. Am Anfang hat es sich bedrohlich angefühlt, wie viel Geld ist am Konto, wie kann ich die Leute zu Hause proben lassen, also die Arbeitgeberverantwortung. Später war dann klar, die freischaffenden Künstler*innen sind geschützt. Ohne all das hätten wir überlegen müssen, ob wir beide, Anna und ich, mit Kind, die künstlerische Tätigkeit langfristig weiterführen können. Auch alle meine Kolleg*innen in Österreich konnten in ihrem Beruf bleiben, anders als z.B. in Schweden, wo der Support sperrig organisiert und schwer zu bekommen war. Ich habe die Infos über die Unterstützungsmaßnahmen auch aktiv im Netzwerk verbreitet und Kolleg*innen ermutigt, sie in Anspruch zu nehmen.

Interview & Text: Xenia Kopf

Infos

Smart User Alexander Gottfarb at Café Weimar - Portrait picture in classic cafe interior

Alexander Gottfarb im Café Weimar

Archipelago

Arbeitsplatz Wien